Pfarre Krems St. Paul

Monatsblatt 2021/10

Erntedank
DANKE für die Gaben, DANKE für das Leben

Ende September, oft aber am ersten Sonntag im Oktober, wird bei uns Erntedank gefeiert. Die meisten Felder sind abgeerntet und die Früchte eingebracht. Dann werden die Früchte der Ernte und der menschlichen Arbeit zusammen mit einer Erntekrone in die Kirche gebracht, mancherorts in einer feierlichen Prozession.

Die Bibel kennt zwei wichtige Erntedankfeste: Fünfzig Tage nach Ostern feiert man das sogenannte „Wochenfest“ (Schawuot; Apg 2,1; Apg 20,16; 1Kor 16,8). Dabei wird für das Einbringen der Weizenernte gedankt. Dieses Fest ist im Christentum zum Pfingstfest geworden und hat als Fest des Heiligen Geistes eine andere Bedeutung erlangt. Im Herbst gibt es das sogenannte „Laubhüttenfest“ (Sukkot; Joh 7,2), ein Dankesfest für die Wein- und Olivenernte.

Erntedank ist kein typisch christliches Fest. Grund dafür ist, dass dieser Brauch nicht Teil des Heilsgeschehens Christi ist, wie z.B. Weihnachten oder Ostern. Das Erntedankfest gibt es schon seit über 5.000 Jahren. In allen Kulturen, Völkern und Religionen gilt das Einbringen der Ernte als wichtiges Ereignis und wird auch dementsprechend gefeiert. Auch die Feier im Herbst ist regional bedingt und hängt von den klimatischen Unterschieden ab. So wird die Ernte in Brasilien zu einer anderen Zeit eingefahren als bei uns oder in Afrika.

Dennoch ist eine Danksagung für die Gaben der Ernte kirchlich gesehen sinnvoll, heißt es doch schon im Epheserbrief: „Sagt Gott, dem Vater, jederzeit Dank für alles im Namen Jesu Christi, unseres Herrn!“ (Eph 5,20). Die wöchentliche Eucharistiefeier am Sonntag, insbesondere die Gabenbereitung, würde eigentlich schon den Zweck eines Erntedankfestes erfüllen. Und immerhin bedeutet das Wort „Eucharistie“ übersetzt auch „Danksagung“.

Wir aber leben heute in einer Zeit, in der sich die Gesellschaft so verändert hat, dass Erntedank manchmal schon als nostalgisches Fest erscheint. Denn Tomate, Erdbeere, Gurke und Co. gibt es in Hülle und Fülle in jedem Supermarkt und zu jeder Jahreszeit, sogar im tiefsten Winter. Und wenn das Wetter die Marillen-Ernte einmal nicht so gut ausfallen lässt - die Regale sind dennoch prall gefüllt mit Marillen und Marillenprodukten, notfalls eingeflogen aus den entferntesten Ländern.

Um Erntedank davor zu bewahren, dass es zu einem rein nostalgischen Fest verkommt, das an eine längst vergangene Zeit erinnern soll - in der ein Großteil der Bevölkerung von der Landwirtschaft abhängig und dem Wetter und den Jahreszeiten ausgeliefert war und daher dementsprechend dankbar im Herbst in den Keller und in die Scheune geblickt hat - sollte der Blick an Erntedank weiter gefasst werden. Da gilt es einmal nicht nur jene Gaben vor den Altar zu stellen, die auf unseren Feldern wachsen, sondern auch das, was die Menschen täglich im Supermarkt kaufen. Danke nicht nur für Apfel, Kartoffel und Karotte, danke auch für die Bananen aus Peru, den Kaffee aus Äthiopien und den Kakao und die Schokolade aus Ghana. Nicht zu vergessen die Baumwolle für die Jeans und T-Shirts aus Indien und China.

Dann sollte bei Erntedank nicht nur an die Gaben selbst gedacht werden, sondern auch daran, wo und wie sie produziert werden. Denn alle Gaben sind Gaben der Schöpfung, Gaben Gottes, die er uns anvertraut hat. Der Mensch, so heißt es im Schöpfungsbericht, soll sich die Erde untertan machen, sie bebauen und pflegen. Dazu gehört ein sorgsamer Umgang mit der Schöpfung. Das zeigt aktuell die Diskussion um das Klima. Nachhaltiger Umgang mit der Natur und den Ressourcen kann und sollte bei einem Erntedankfest mitgedacht und eingemahnt werden.

Zuletzt darf bei all dem nicht auf die Menschen vergessen werden, die all die Gaben produzieren. Unter welchen Umständen müssen sie arbeiten und wie viel verdienen sie dabei? So könnte Erntedank das Bewusstsein stärken, dass es nicht egal ist, woher ein Produkt stammt und unter welchen Bedingungen es produziert wurde, solange nur der Preis stimmt. Denn – nicht nur christliches – Leben gelingt nur unter dem Aspekt der Nächstenliebe. Nächstenliebe nicht auf den Menschen nah und fern beschränkt, sondern im Sinne eines Heiligen Franz von Assisi auf die ganze Schöpfung angewandt.

So ist es gut, zumindest einmal im Jahr diesen Themen Raum zu geben und sich dabei wieder neu der Verantwortung bewusst zu werden, die jede/r Einzelne für diese Erde und die Menschen hat, die auf ihr wohnen.

Franz Halbmayr