Monatsblatt 2021/03
Der Palmsonntag
Vom Hosanna! zum Ans Kreuz mit ihm!
Beim Stichwort Palmsonntag (heuer am 28. März) denken viele zuerst an das biblisch motivierte religiöse Brauchtum: Die bunt geschmückten Palmbuschen werden bei uns mangels Palmen aus Weidenkätzchen, aus den Zweigen des Ahorns, der Birke, des Buchsbaums oder anderer Bäume gebunden. Vor dem Gottesdienst versammelt sich die Gemeinde außerhalb der Kirche, der Priester spricht ein Segensgebet über die Zweige, dann wird das Evangelium vorgetragen, je nach Lesejahr einer der Berichte über den mit Hosanna-Rufen bejubelten Einzug Jesu in Jerusalem. Schließlich ziehen der Priester und alle Mitfeiernden in einer Prozession und mit Gesang zur Kirche. Ein buntes Bild, vor allem, wenn die Frühlingssonne „mitspielt“, ein Bild der Freude.
Warum eigentlich Palmzweige? Die Palme galt im Altertum als heilig und als Symbol des Sieges. Die Römer empfingen den heimkehrenden Sieger mit Palmzweigen. Der Evangelist Johannes greift dieses Symbol auf und berichtet, dass eine große Volksmenge, die sich zum (Pascha-)Fest eingefunden hatte, hörte, Jesus komme nach Jerusalem. Da nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen, und riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels! (Joh 12, 12 f). Die Palme hat in der Bibel auch sonst einen hohen Stellenwert. Im Alten Testament wird sie oft erwähnt: Einige Beispiele: Zweige der Palme werden beim Laubhüttenfest verwendet (Lev 23,40), die Prophetin und Richterin Debora hat ihren Amtssitz unter der nach ihr benannten Debora-Palme (Ri 4,5), die uralte und bedeutende Stadt Jericho wird mehrfach als „Palmenstadt“ bezeichnet (Dtn 34, 3; Ri 1,16 und 3,13), wegen ihrer Eigenschaften wird die Palme zum Bild des Gerechten (Ps 92,13) und der Anmut einer jungen Frau (Hld 7,8). Für das Neue Testament ist – außer der genannten Stelle im Johannes-Evangelium - ein Beispiel aus der Offenbarung des Johannes anzuführen: In seiner Himmelsvision sieht der Autor eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen. ... Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamm, gekleidet in weiße Gewänder und trugen Palmzweige in den Händen (Offb 7,9). Die Palme wird zum Symbol des ewigen Lebens. Deshalb findet man in den ersten Jahrhunderten Palmendarstellungen auf christlichen Gräbern und auf Bildern Palmzweige in den Händen der Märtyrer.
Die Palmprozession ist inzwischen in der Kirche angekommen. In der Eucharistiefeier wird deutlich, dass mit dem Palmsonntag die Karwoche beginnt. Die Gebete, die Zwischengesänge und die Lesungen thematisieren das Leiden des Herrn, im Mittelpunkt steht die Leidensgeschichte aus einem der Evangelien. Die Liturgie des Palmsonntags verdichtet somit (in nahezu dramatischer Weise) die Ereignisse vom Einzug Jesu in Jerusalem bis zum Tod am Kreuz, vom Hosanna! zum Ans Kreuz mit ihm! – Von der Freude zum Leid.
Wenn wir etwas über die Geschichte der Palmsonntagsfeier erfahren wollen, müssen wir weit zurückblicken. Es gibt aus dem späten 4. Jahrhundert n. Chr. den Bericht einer Pilgerin namens Egeria (auch Aetheria), die aus Nordspanien oder Gallien ins Heilige Land pilgerte und hierüber einen Reisebericht in Form eines Briefes an andere Frauen verfasste. Darin schildert sie die christlichen Feiern in Jerusalem, auch die der Karwoche, in der man an den historischen Stätten das Leiden Jesu im Gottesdienst dramatisierend nachvollzog. Begonnen wurde am Palmsonntag, an dem die Gläubigen und der Bischof mit Palmzweigen zum Ölberg zogen und in einer Kirche den Festgottesdienst feierten. Diese Jerusalemer Liturgie war wohl Vorbild für die abendländische Kirche. Nach den Quellen (z.B. Lektionare, Sakramentare = liturgische Bücher) eröffnet der Palmsonntag die Karwoche. In Rom steht mit der Lesung der Passionsgeschichte das Leiden des Herrn im Mittelpunkt. Seit dem 9. Jahrhundert kennt man die liturgisch dramatisierte, triumphale Einzugsprozession vor der Messe und die Segnung der mitgetragenen Palmzweige.
Schließen wir mit einigen Zeilen aus dem Segensgebet über die Palmzweige:
Gott des Lebens, segne diese Zweige, die Zeichen des Lebens und des Sieges, mit denen wir Christus, unserem König, huldigen.
Mit Lobgesängen begleiten wir ihn in seine heilige Stadt.
Gib, dass wir durch ihn zum himmlischen Jerusalem gelangen.
Heinz Steiberger
Literatur:
Lexikon für Theologie und Kirche (Herder 2009, Artikel Egeria, Karwoche) | Edouard Urech, Lexikon christlicher Symbole (Herder 1992, Artikel Palme) | Peter Riede, Artikel Palme in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de) | Wikipedia: Artikel Egeria (Pilgerin) und Heilige Woche in Jerusalem (4. Jhdt.)
Fotos: Wikipedia gemeinfrei