Monatsblatt 2020/07
Von Stift zu Stift am Jakobsweg
Warum in die Ferne schweifen – nur wenige Kilometer von unserer Pfarre entfernt führt ein Abschnitt des wohl bekanntesten Pilgerwegs vorbei – der Jakobsweg. Bis nach Santiago de Compostela sind es zwar noch weitere ca. 3000 Kilometer, aber die knapp 50 Kilometer vom Stift Göttweig bis zum Stift Melk bieten jedem Pilger und auch Wanderer einiges an kulturellen und historischen Erlebnissen.
Durch ganz Europa, aus vielen Ländern, mit einem Ziel führen die Caminos de Santiago zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus in Galicien (Spanien). Ein Teil des Weges, so wie er heute noch begangen wird, entstand in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Beinahe 350.000 Pilger kamen im Vorjahr auf den Caminos nach Santiago de Compostela.
Der Hauptast des österreichischen Jakobswegs von Wolfsthal nach Feldkirch wurde ab 1997 erschlossen. Anfangs sporadisch mit Holztäfelchen beschildert, heute, zumindest im Abschnitt der Wachau, immer deutlich mit der Pilgermuschel gekennzeichnet und auch auf zahlreichen Wanderkarten, egal ob papierhaft oder am Handy, markiert.
Vom Stift Göttweig bis zum Stift Melk steigt der Pilger die 49,3 Kilometer lange Wanderung über 1.700 Meter hinauf und dazwischen wieder 1.500 Meter hinunter. Dafür gibt es Belohnung mit Ruhe, Zeit für sich selbst und auch Stolz, den Weg geschafft zu haben.
Start des Weges ist beim Stift Göttweig, dem österreichischen Montecassino, dem hoch über dem Ausgang der Wachau liegendem Benediktinerstift. Bereits seit dem 9. Jahrhundert existierte am Berg die Kirche St. Georg. 1083 gründete Bischof Altmann von Passau das Doppelstift Göttweig, ein Doppelkloster für Männer und Frauen. Der Teil, in dem die Frauen lebten, befand sich im Fladnitztal. Zu Beginn lebte die Gemeinschaft nach den Regeln des Augustinus. 11 Jahre nach Gründung wurde das Chorherrenstift in eine Benediktinerabtei umgewandelt. Bischof Altmann starb 1091 und wurde in Göttweig begraben. Der kostbare Schrein mit seinen Reliquien befindet sich heute in der Krypta der Stiftskirche.
Das heutige Stift geht im Wesentlichen auf die umfassende Bautätigkeit nach dem Großbrand vom 17. Juni 1718 zurück. Nach Plänen von Johann Lucas von Hildebrandt in der Amtszeit von Abt Gottfried Bessel ging der Neubau des Stiftes zügig voran. Jedoch wurde nicht der gesamte Plan von Hildebrandt umgesetzt.
Die Stiftskirche ist im Langhaus in ihrem Kern romanisch. Das über die Krypta erhöht liegende frühgotische Presbyterium wurde nach 1400 errichtet. Nach einem Plan von Johann Lukas von Hildebrandt zur Umgestaltung der Fassade wurde die Kirche weitgehend barockisiert.
Hoch vom Göttweiger Berg steigt der Pilger den Jakobsweg hinunter nach Aigen und vorbei an Furth. Durch Hohlwege und Weingärten führt der Weg nach Mautern.
Bereits zur Zeit der Römer befand sich an der Stelle des heutigen Mautern eine bedeutende Siedlung. Das Kastell Favianis schützte einen wichtigen Donauübergang am Ende der Wachau. Bekanntheit erlangte Favianis in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts, als Severin von Noricum hier ein Kloster gründete. Am 8. Jänner 482 starb der Heilige Severin in seinem Kloster. Am Weg kommt man neben der Pfarrkirche Hl. Stephan auch beim Schloss Mautern und der im 18. Jahrhundert profanierten Schlosskapelle vorbei. Nach Abschluss der Sanierung der Kapelle im Jahr 2018 wurde der Mauterner Altar, ein um 1620 entstandenes frühbarockes Meisterwerk, wieder in der Schlosskapelle aufgestellt.
Von Mautern führt der Jakobsweg nun weiter Richtung Westen nach Mauternbach, wo am Ortsende die Abzweigung zur Römerstraße, auch Limesstraße genannt, auf den Pilger wartet. Ausgehend vom Kriegerdenkmal verläuft ihre steile Trasse, mit ihren heute noch erkennbaren auffälligen Wagenspuren, hinauf Richtung Unterbergern.
In Unterbergern liegt die nach Plänen des Göttweiger Stiftsbaumeisters Josef Schwerdfeger 1784 - 1786 erbauten Pfarrkirche. 1974 wurde vom Orgelbaumeister Gerhard Hradetzky aus Oberbergern, der auch für den Bau der Orgel unserer St. Pauler Kirche verantwortlich ist, eine Orgel mit zwei Manualen und eine neue Orgel-Empore geschaffen.
Nördlich an Unterbergern vorbei geht es jetzt hinauf Richtung Ferdinand-Warte. Ein kurzer Abstecher zur 1890 vom Österreichischen Touristenklub erbauten Warte mit Blick ins Donautal lohnt sich. Es bietet sich ein wunderbares Panorama von Dürnstein bis Krems.
Der erste Anstieg ist nun geschafft. Jetzt führt der Weg mehrheitlich durch den Wald, vorbei an drei Wegkreuzen. Zwischen Bergern und dem Roten Kreuz liegen noch die unspektakulären Hügel der „Sieben Gräber“. Einige kleine laubbedeckte Hügel und seichte Gräben, die von unzähligen Grabungen stammen, weisen auf illyrisch-keltische Hügelgräber hin.
Dann erreicht der Pilger das Rote Kreuz. Bereits im Jahr 1746 stand an dieser Stelle ein rotes Kreuz. Nun geht es leicht bergauf zum Schoberstein auf 618 m Seehöhe. Aus dem Wald wieder heraußen, bietet sich bald ein traumhafter Blick über den Dunkelsteinerwald bis zur Donau und vor allem zurück zum Stift Göttweig. Etwa 20 Kilometer sind nun zurückgelegt - beeindruckend, welche Strecke bereits gepilgert wurde.
Bald kommt das nächste Wegkreuz, der Kreuzberg. Den Abschluss bildet das Kastlkreuz, bei dem der Sage nach einen Jäger namens Kastl fast der Teufel geholt hat. Noch eine Viertelstunde Wegzeit und man erreicht Maria Langegg.
Durch den Wald hinunter führt der Abstieg nach Maria Langegg. Nun sind etwa die Hälfte des Weges und 6 Stunden Gehzeit zwischen den beiden Stiften bewältigt.
Die Wallfahrtsstätte Maria Langegg geht auf die Zeit um 1600 zurück. Matthäus Haring oder Häring, der salzburgisch-erzbischöfliche Verwalter und Güterinspektor der drei Herrschaften Arnsdorf, Traismauer und Wölbling, ließ 1600 anlässlich der wunderbaren Heilung seines Kindes eine Kapelle bauen und stiftete ein Marienbild, das Gnadenbild der Wallfahrtskirche. 1605 und 1614 wurde die Stiftungskapelle aufgrund des großen Wallfahrerzustroms vergrößert. 1631 fand die Weihe einer ersten kleinen Kirche statt. 1765-1773 erfolgte dann der Bau der heutigen Wallfahrtskirche durch den Steiner Baumeister Johann Michael Ehmann. 1773 trug man das Gnadenbild in feierlicher Prozession aus der alten Kirche in die neue. Die sogenannte Ursprungskapelle, das Presbyterium der frühbarocken Langegger Kirche, ist heute noch erhalten und dient als Heiliggrabkapelle und Aufbahrungshalle.
Von Maria Langegg führt der Pilgerweg wieder hinauf zur Burgruine Aggstein. Die etwa 150 m lange Burg wurde zu Beginn des 12. Jahrhunderts errichtet und thront auf einem Felssporn etwa 300 Höhenmeter über der Donau. Während der Zeit der Kuenringer wurde sie mindestens zweimal belagert und zerstört. Teile der Burg sind bis heute gut erhalten, dazu zählt unter anderem auch die Kapelle der Burgruine.
Nach dem Genuss der herrlichen Aussicht in das Donautal führt der Pilgerweg hinunter ins Tal über das „Hartl“ nach Aggsbach-Dorf.
Hier bietet sich der Besuch der Kartause Aggsbach an. Die Kartause Aggsbach (Cartusia Portae Beatae Mariae, Chartreuse de la Porte de la Vierge Marie) wurden 1380 von Heidenreich von Maissau und seiner Gattin Anna gestiftet. Nach der Kartause Mauerbach (1313) und der Kartause Gaming (1330) war die Kartause Aggsbach die dritte und letzte Ordensniederlassung der Kartäuser in Österreich. Nach der Schließung des Kartäuserklosters 1782 durch Joseph II. erhielt die ehemalige Kartausenkirche einen Turm und wurde 1784 als Pfarrkirche eingerichtet.
Bald nach der Kartause geht es durch den Wolfsteingraben hinauf zur Ruine Wolfstein und weiter über die Hohenwarther Höhe zum Schloss Schönbühel, in dessen Nähe sich auch das ehemalige Servitenkloster mit einer nachempfundenen Geburtsgrotte von Bethlehem befindet. Das Kloster wurde im 17. Jahrhundert von einer frommen, zum Katholizismus konvertierten Adelsfamilie gegründet.
Weiter führt der Weg bergauf nach Hub. Nach diesem Anstieg wird der Pilger mit dem Blick auf das Ziel, das Stift Melk, belohnt.
Das Stift Melk zählt zu den Wahrzeichen der Wachau. Am 21. März 1089 zogen Benediktinermönche des Stiftes Lambach und ihr Abt Sigibold in das neu erbaute Kloster auf dem Berg ein. Das heutige Aussehen geht im Wesentlichen auf die Pläne von Jakob Prandtauer und die Zeit nach 1700 zurück. Jakob Prandtauer leitete den Bau bis zu seinem Tod im Jahr 1726. Sein Neffe Joseph Muggenast übernahm in weiterer Folge die Bauleitung. Für die Ausgestaltung der Fresken zeichnet, wie auch im Stift Göttweig, Paul Troger verantwortlich. Ein Rundgang durch das Stift samt Besuch der Stiftskirche bildet den würdigen Abschluss des Pilgerweges - von Stift zu Stift.
Etwas mehr als 49 Kilometer durch eine der schönsten Landschaften Österreichs. Eine spirituelle Reise mit einer Gesamtgehzeit von etwa 12 Stunden. So nah von unserer Pfarre bietet sich ein meditatives Naturerlebnis zum Krafttanken.
Und für alle, die nicht so gut zu Fuß unterwegs sind: zahlreiche Stationen dieser Wanderung sind auch mit dem Auto oder Fahrrad erreichbar.